Việt Văn Mới
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NICHT JEDE MUTTER

SOLLTE EINE MUTTER SEIN




A n diesem Samstagmorgen erwachte sie mit einem säuerlichen Geschmack im Mund. Sie war wach, bevor ihre Mutter sie aufwecken kam. Beim Aufstehen war ihr schwindelig, in ihrem Bauch wurde es ganz warm. Dieses Gefühl kannte sie nicht, sie wusste nicht, ob es ein gutes oder böses Zeichen war. Sie wollte an Schicksal und Zeichen glauben, nur das liess sie auf eine bessere Zukunft hoffen. <:P>

Es war erst 6.30Uhr. Schnell ging sie ins Bad, um die erste im Badezimmer zu sein. Dann war der Boden nicht übersäht von Wasserpfützen, das Waschbecken nicht voller Zahnpastaresten und in der Dusche klebten nicht überall Haare.

Sie ging zurück in ihr Zimmer und betrachtete vom Fenster aus den Regen. Es regnete stark, bereits der zweite Tag mit Dauerregen. Heute schien der Himmel noch dickere Regentropfen von sich zu geben. Sie folgte den Tropfen an der Fensterscheibe mit ihrem Finger nach unten. Sah, wie die Blätter in den Bäumen vom Regen runtergedrückt worden waren. Die Strasse war überflutet vom Wasser, trotz Regenschirmen gab es keinen einzigen Fussgänger, der nicht pflotschnass war. Ein richtiges Hundewetter.

Pünktlich um 9.00Uhr hörte sie ihre Mutter. Mit jedem Schritt, den sie ihr näher kam, zog sich ihr Bauch weiter zusammen, ihr Herz fing an stark zu klopfen. Sie blieb auf der Fensterbank sitzen, zog die Knie an ihre Brust und drückte ihre Arme ganz fest um ihre Beine.

Eine Stunde später sassen sie bereits im Auto. Wie jeden Samstag gingen sie einkaufen. Der Einkauf sah folgendermassen aus: die Mutter entschied, was sie brauchten und was sie die nächsten Tage assen, die Tochter schob den immer grösser werdenden Einkaufswagen vor sich hin. In Gedanken stellte sie sich vor, ihr den Einkaufswagen in die Beine zu rammen und dann abzuhauen. Egal wohin, einfach weg. Aber sie wusste, dass dies nicht möglich war. Wo wollte sie schon hin?

Auf der Heimfahrt kamen sie an eine Unfallstelle, welche abgesperrt war. Sie mussten einen anderen Weg fahren. Die Mutter fluchte und tobte im Auto, warum immer ihr die schrecklichen Dinge passieren mussten. Sie wollte doch eine Sendung im Fernsehen schauen, aber wegen diesem Unfall verpasste sie den Anfang. Warum diese Leute genau jetzt einen Unfall bauen mussten. Das haben sie doch mit Absicht gemacht. Sie sei eine arme Frau, die nie das bekam, was sie wollte. Ob ihre Tochter den nicht Mitleid mit ihr hatte.

Sie dachte sich nur, lass mich in Ruhe. Gerade du hast nicht das Recht, dich als Opfer darzustellen. Was willst du eigentlich von mir?

Sie nickte ihrer Mutter nur kurz zu, um ihr offiziell die Bestätigung zu geben, was sie doch für eine Arme sei.

Sie wusste, dies war der einfachste Weg, um das Thema schnellstmöglich abzuschliessen. Würde sie sich auf eine Diskussion einlassen, war sie schlussendlich nur der Sündenbock. Also spielte sie den Abfalleimer und liess es über sich ergehen. Wenn sie schon diese nervige Schlagermusik im Auto ertragen musste, hielt sie den Tobsuchtsanfall auch noch aus. Sie war es gewohnt.

Sie fuhren auf eine Brücke, der Fluss darunter war an diesem Tag sehr tief. Das vordere Auto hielt abrupt an, es gab aber keinen offensichtlichen Grund. Die Mutter trat auf die Vollbremse, das Auto rutschte ein wenig durch das Aqua Planing und kam zum Stillstand, etwa 10 Zentimeter hinter dem vorderen Auto. Sie platze schier vor Wut, warf die Hände in die Höhe und hupte dann dreimal mit voller Wucht. Doch der Fahrer vor ihr blieb ruhig und fuhr in langsamem Tempo weiter. Sie fluchte und trat fest auf das Gaspedal. Das Fahrzeug kam erst nicht vom Fleck, die Reifen spulten ins Leere. Dann sprang der Wagen mit einem Ruck nach vorne. Sie war völlig überfordert, drehte in der Hektik das Auto nach links und rechts, ging aber nicht vom Gas und es kam, wie es kommen musste. Sie rammten das Gitter, das nicht genug Widerstand leisten konnte und der Wagen fiel vorwärts in den Fluss. Das Wasser stand so hoch, dass das Wasser das Fahrzeug völlig verschlang.

Beim Aufprall schlug die Mutter mit dem Kopf an der Frontscheibe auf. Sie blieb jedoch bei Bewusstsein, war aber ein wenig benommen. Die Tochter hingegen erinnerte sich an die Fernsehsendung "Notruf", damals auf RTL. Sie wusste, dass sie die Fahrertüre erst dann öffnen sollte, wenn das Fahrzeug auf dem Grund des Flusses ankam und sich das Auto vollständig mit Wasser gefüllt hatte. Sie schnallte sich ab und wappnete sich.

Als der Innenraum fast ganz mit Wasser voll war, unternahm sie den ersten Versuch die Beifahrertüre zu öffnen und sich aus dem Auto zu befreien. Es gelang ihr auf Anhieb die Türe soweit zu öffnen, dass sie langsam nach draussen schwimmen konnte.

Sie blickte zurück zu ihrer Mutter, die noch mit dem Abschnallen beschäftigt war. Sie sah ihr an, dass sie es wohl nicht selbständig bewältigen würde. Sie schaute nach oben, dann wieder zur Mutter. Den Ausdruck in den Augen ihrer Mutter würde sie nie vergessen.

Sie sah bemitleidenswert aus, aber zugleich fordernd und ihr eindringlicher Blick war schrecklich unangenehm. Was sollte sie tun? Vermutlich könnte sie ihrer Mutter von ihrer Seite aus helfen. Vermutlich könnte sie an die Wasseroberfläche schwimmen, nach Luft schnappen und dann von der Fahrerseite aus versuchen, ihr zu helfen. Aber sie könnte auch einfach hoch schwimmen und sie sterben lassen.

Diese 3 Sekunden kamen ihr vor wie Stunden. Sie sah ihr bisheriges Leben vor Augen. Die vielen Stunden, in denen sie sich vor den Taten und Worten ihrer Mutter fürchtete. Die vielen durchweinten Nächte, nach dem Tod ihrer geliebten Grossmutter, die in der Familie totgeschwiegen wurde. An die verzweifelten Wünsche, doch endlich einmal für sich selber entscheiden zu dürfen, mal etwas zusammen unternehmen zu können, was auch sie wollte, wenigstens nur ab und zu mit ihrem selbst verdienten Geld machen zu dürfen, was ihr richtig erschien. Dann war es für sie klar, es gab nur eine einzige Möglichkeit sich von ihrer Mutter zu befreien. Sie musste sie dort lassen, ihrem Schicksal überlassen. Es war nicht Mord, es war nicht ihre Schuld. Ihre Mutter hatte sie derart belästigt und mies behandelt, sie hatte es nicht anders verdient.

Sie sah ihre Mutter ein letztes Mal an. Mit ihrem Blick liess sie sie wissen, dass sie jetzt fortging. In den Augen ihrer Mutter erschien für einen Moment der Ausdruck völliger Panik, dann etwas, dass sie bei ihr noch nie gesehen hatte. Bedauern. Akzeptanz. Sie drehte sich um und bewegte ihre Arme und Beine so schnell und stark sie konnte. Ihr blieb nicht mehr viel Luft übrig. Sie kämpfte sich an die Oberfläche. Liess nicht zu, dass sie hier und heute starb. Nein, ein neues Leben wartete oben auf sie. Als sie endlich oben ankam, rang sie nach Luft, hustete und hielt sich mit all ihren Kräften über Wasser. Sie sank erneut, konnte sich aber doch noch über Wasser halten. Ihr Herz schlug stark und schnell, ihre Hände zitterten und die Beine fühlten sich müde und schwer an.

Vom Ufer her kam ein Mann, der ihr ohne zu zögern entgegen schwamm und sie an Land zog. Sie konnte nicht auf ihren Beinen stehen, sackte zusammen und fiel zu Boden. Der Mann hob sie auf, trug sie ein Stück weiter weg und zog ihr seine Jacke über, die er vorher ausgezogen und auf einen grossen Stein gelegt hatte. Es war kalt und sie zitterte. Er fragte sie, ob noch jemand im Wagen war. Sie antwortete ihm mit "ja, doch es ist zu spät. Die Fahrerin starb beim Aufprall."

Die Fahrerin starb. Als sie diese Worte aussprach, hatte sie wieder dieses warme Gefühl im Bauch von heute Morgen. Die Gedanken kreisten, sie realisierte, was der Tod ihrer Mutter für sie bedeutete. Es gab keine Vorwürfe mehr, kein Geschreie. Sie musste es nicht mehr über sich ergehen lassen, dass ihre Mutter ein Opfer der gesamten Menschheit war. Dass ihre Mutter doch die Allerärmste sei und sich alles um sie drehen musste. Ihr wurde klar, dass es mit diesem Unfall ein Ende gab. Sie konnte nun ihr eigenes Leben führen. Selber für sich entscheiden. Zu der Frau werden, die tief in ihr heran wuchs. Es gab keine Manipulationen mehr, keine Unterdrückung und auch keine Anlässe zur Flucht. Sie wurde nicht mehr belogen und betrogen. Sie musste nicht mehr verzweifelt und erfolglos bei ihr nach Lob, Anerkennung und Respekt kämpfen. Sie war nur noch auf sich gestellt, konnte ihr Leben selber in die Hand nehmen und so gestalten, dass sie endlich glücklich werden konnte. Sie atmete tief ein und aus. Sie spürte tief in ihr drin, dass es die richtige Entscheidung war. Dass es so komme musste. Ihr ganzer Körper fühlte sich leicht an. Sie sah hinauf in den Himmel und spürte mit jeder Faser ihres Körpers die Regentropfen an ihr herab fliessen. Sie nahm noch einen tiefen Atemzug, schloss die Augen und ganz von alleine kam ihr ein Lächeln über die Lippen. Sie öffnete die Augen und sah, wie sich die dunklen Wolken langsam zurück zogen, wie der Regen von Minute zu Minute weniger wurde. Sie spürte, wie die Schwere in ihrem Herzen nachliess. Das neue Leben konnte beginnen. Sie war endlich frei.






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